Production Partner 11/2018

Die psychologische Klassik-Falle

Klassik-Titel

Klassische Musik und Veranstaltungstechnik (das Titelthema der neuen Ausgabe von Production Partner) passen auf den ersten Blick nicht ganz zusammen. Aber auch wenn in den beiden Lagern noch Zeichen der gesellschaftlichen Distinktion überlebt haben mögen – die Musikerinnen der New Yorker Philharmoniker dürfen erst ab diesem Jahr Hosen tragen – die Grenzen fließen. Und die sind auch Unfug: In den Frühstunden des Sound-Design brauchte es ausgefuchsten Instrumentenbau, Platzierungserfahrungen auf der Bühne und bauliche Maßnahmen am Konzertgemäuer. Heute lauten die Herausforderungen, aus der Vergangenheit gewohnte Aufführungserlebnisse mit moderner Technik an neue Orte zu bringen – Classic-Open-Airs boomen. Oder aber, in die „klassischen Orte“ frische Hörerlebnisse einzubringen.

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Diesen Lernprozess durchläuft offenbar gerade auch die Elbphilharmonie (Installationsbericht hier): Das ständige Material-Gerödel rein, raus, rein, raus … in den großen Saal ist ohne Trailer-kompatible Infrastruktur schon bald nach Eröffnung so nervig geworden, dass man jetzt die im spektakulären Saal installierte Beschallung mit einem Update versehen hat. Geplant war die erste Lösung für die gelegentliche Unterstützung oder eine Moderation hier und da. Aber der Laden brummt, und vergessen sind nicht nur die vielen Kritiken im Vorfeld der Philharmonie-Planung. Sondern der Sound soll dort bei viel mehr Eventformaten „modern“ drücken, als es mit der ausgetüftelten Raumakustik allein möglich wäre: Es geht nicht mehr ohne aktuelle Veranstaltungstechnik. Vor ähnlichen Herausforderungen steht heute jedes Haus, zwei Beispiele aus Bern und Wien haben wir daher in dieser Ausgabe ab Seite 16 bei ihren Umbauten begleitet.

Ironie der Geschichte: Der Classic-Trend hat auch längst die „neue“ Musik der letzten Jahrzehnte eingeholt. Eine kleine Umfrage zwischen den jüngeren Teams in unserer eigenen Niederlassung bestätigt mir das: Gefragt sind besonders die älteren Songs und Sounds, auch ohne dass ich mich zu den Opern-Fans in unserer IT hineinwage. Woher stammt diese Sehnsucht, was macht einen „Klassiker“ aus – und wie muss er heutzutage klingen? Ab Seite 32 unserer Ausgabe haben wir einen Medien- und Verhaltensforscher gefragt. Sein Tipp unter dem Label „Klassik- Falle“: Die psychologisch wesentlichen Erinnerungselemente zu aktivieren, ist gar nicht so schwer!

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