So kann es nicht weitergehen!

BDKV Kritik: Veranstaltungsverbote – und kein Ende in Sicht!

In einer aktuellen Meldung hat der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft e.V. (BDKV) erneut auf die kritische Situation der Veranstaltungsindustrie hingewiesen. Widersprüchliche und unterschiedliche Corona-Verfügungen der 16 Länder würden den Tourneebetrieb in Deutschland weiterhin unmöglich machen. Die Eventbranche erfahre zudem eine Ungleichbehandlung im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen.

Prof. Jens Michow
Prof. Jens Michow, Präsident des Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (Bild: Klaus Westermann)

So heißt es denn auch in der Meldung des BDKV: Während sich an Deutschlands Küsten die Strände zusehends mit Besuchermassen füllen, die Transportfahrzeuge der ÖPNV-Betriebe werktags wieder auf eine normale Auslastung zulaufen, Flugzeuge bis auf den letzten Platz gefüllt in Urlaubsdestinationen abheben und sich vielerorts die Bevölkerung unbeeindruckt von Mindestabstandsregelungen und Hygienekonzepten bewegen kann, liegt die Veranstaltungswirtschaft weiterhin brach.

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„Der Wirtschaftszweig liegt völlig am Boden und sieht kein Licht am Ende des Tunnels. Wann Veranstaltungen bundesweit wieder zuverlässig geplant werden können, ist derzeit nicht absehbar. Wir gehörten zu den Ersten, die wirtschaftlich von der Krise betroffen waren und werden wohl die Letzten sein, die eine Rückkehr zur Normalität erleben“ sagt Prof. Jens Michow, Präsident des BDKV.

16 unterschiedliche Landesverfügungen machen Tourneebetrieb unmöglich

Darauf, dass ein wirtschaftlich auskömmlicher Veranstaltungsbetrieb unter Einhaltung der Abstandsreglungen nicht möglich sei, hatte der BDKV bereits in verschiedenen Veröffentlichungen hingewiesen. „Selbst, wenn sich ein Veranstalter fände, der bereit wäre, unter Verlusten oder finanziert durch öffentliche Zuschüsse eine Tournee zu veranstalten: die 16 unterschiedlichen, in sich und untereinander widersprüchlichen Landesverfügungen erlauben keine einheitliche Durchführung von Tourneeveranstaltungen“, so der Verbandspräsident.

Der Flickenteppich der Verordnungen habe nur zwei Gemeinsamkeiten: die Öffnung von Diskotheken und Clubs ist in allen 16 Bundesländern derzeit untersagt und bei erlaubten Veranstaltungen sind Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten.

Von 100 bis 1.000 Besuchern ist alles dabei1

Bereits am 04.06.2020 hatte der BDKV in seiner Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass einheitliche Regelungen zwingend notwendig seien. Stand 29.06.2020 gelten u.a. folgende Unterschiede zwischen den Landesverordnungen:

Acht Länder unterscheiden Risiken innerhalb (weniger zulässige Teilnehmer) und außerhalb (mehr zulässige Teilnehmer) geschlossener Räume (BE, BY, HH, MV, NW, RP, SH, SL). Sechs Länder koppeln höhere Teilnehmerzahlen an unterschiedliche Formen der Registrierung oder Platzzuteilung (BW, BY, HE, HH, RP, SL). Vier Länder schränken Kapazitäten zusätzlich mit definierten Platzanforderungen in m² pro Besucher ein (HE, RP, SL, ST). Das Spektrum der maximal zulässigen Teilnehmerzahl reicht dabei von 50 (BY) bis 1.000 (BB, SN, TN) Teilnehmer innerhalb bzw. 100 (BW, BY, NW, ST) bis 1.000 Teilnehmer außerhalb (BB, BE, HH, SN, TN) geschlossener Räume.

Aktualisierungen von Verordnungen geschähen mit so kurzem Vorlauf, dass bereits deshalb jede Tourneeplanung unmöglich sei. So erlasse z.B. Hamburg erst am 30.06.2020 die ab 01.07.2020 gültige Folgeverordnung. Nur Baden-Württemberg zeige aktuell einen Fahrplan für die nächsten Wochen auf: dort sind innerhalb wie außerhalb geschlossener Räume ab 01.07.2020 Veranstaltungen mit bis zu 100 Personen (Registrierung, Stehplätze) bzw. 250 Personen (Registrierung, Sitzplätze) und ab 01.08.2020 dann 500 Personen (nur Registrierung) zulässig. Auf einer solchen Basis würde sich laut BDKV in der relevanten Größenordnung zumindest planen, wenn die Basis denn einheitlich wäre.

Das Ausland macht es vor

Dass einheitliche Regelungen möglich seien, zeige der Blick ins benachbarte Ausland: „In keinem anderen EU-Land gibt es einen vergleichbaren Regelungs-Flickenteppich wie in Deutschland“, so Michow. Dänemark2 erlaube seit dem 22.05.2020 bereits 500 Teilnehmer auf Veranstaltungen innerhalb und außerhalb geschlossener Räume mit der Zusatzforderung von 4m² (außerhalb) bzw. 2m² (innerhalb) Platzbedarf pro Teilnehmer. Selbst Spanien3 lasse seit dem 25.05.2020 wieder Veranstaltungen zu mit bis zu 50 Teilnehmern innerhalb und 400 Teilnehmern außerhalb geschlossener Räumlichkeiten. In Frankreich4 erlaubten die für die Wiederöffnung von Konzerthäusern getroffenen Regelungen bereits wieder eine Tourneeplanung5 für Veranstaltungen.

Holland6 erlaube als erstes EU-Land unter Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln bereits wieder unbegrenzte (!) Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen, wenn die Besucher sich zusätzlich vor dem Betreten der Veranstaltung einem Gesundheitscheck unterziehen.

Ungleichbehandlung der Veranstaltungsbranche zerstört die Kulturlandschaft

In vielen Arbeits- und Freizeitbereichen des öffentlichen Lebens kehre wieder Regelmäßigkeit, zum Teil sogar Normalität, ein. Im angrenzenden Ausland würden bereits landeseinheitliche Wege für die Durchführung von Veranstaltungen beschritten. Für Messen in Deutschland gälten offenbar andere Maßstäbe als für Großveranstaltungen allgemein7. Währenddessen zerbreche die betriebliche und künstlerische Kulturlandschaft der Veranstaltungswirtschaft in Deutschland an einem Flickenteppich unabgestimmter Regelungswerke, kritisiert der BDKV.

„Es macht mich ärgerlich, wenn ich heute in einer Hamburger Tageszeitung die Überschrift lese: „Hamburg erlaubt Veranstaltungen mit bis zu 1000 Menschen“. Wenn man dann weiter liest, kommen die zahlreichen Einschränkungen: ‚im Freien‘, ‚mit festen Sitzplätzen‘, ansonsten sind auch im Freien nur bis zu 200 und in geschlossenen Räumen sogar nur 100 Personen erlaubt. Das erweckt den trügerischen Eindruck, dass auch die Veranstaltungsbranche auf dem Weg in die Rückkehr zur Normalität sei – mit Normalität haben solche Veranstaltungen aber absolut gar nichts zu tun“, so der Verbandsprädient. „Wir akzeptieren alle dem Infektionsschutz dienende Maßnahmen. Aber wir fordern die Ministerpräsidenten der Länder auf, sich endlich bei Veranstaltungsverboten und vertretbaren Lockerungen miteinander abzustimmen und sich im Interesse des Kulturbetriebs um Einheitlichkeit der Verordnungen zu bemühen“ sagt Prof. Jens Michow. „Von unserem Wirtschaftszweig ist die gesamte Musikwirtschaft abhängig. Davon leben über 150.000 Erwerbstätige und zigtausend ausübende Künstler und Musikautoren. Kommunen und Städte nehmen durch den Musiktourismus jährlich 5 Milliarden Euro ein8. Ich würde mir wünschen, dass die Politik versteht, dass es hier nicht nur um die Zukunft der deutschen Konzert-, Tournee- und Festivalveranstalter geht, sondern dass ein großer Teil unseres Kulturbetriebs existentiell bedroht ist.“


1 BDKV: eigene Recherche auf Basis der im Internet veröffentlichten Vorschriften der 16 Bundesländer, Stand 29.06.2020
2 https://www.iq-mag.net/2020/05/denmark-released-live-reopening-guidelines/#.XvnYjSgzaHt, 22.05.2020
3 https://www.iq-mag.net/2020/05/first-post-lockdown-concerts-return-to-spain/#.XvnYoygzaHs, 26.05.2020
4 https://www.iq-mag.net/2020/06/touring-to-return-to-france-in-july/#.Xvnb1ygzaHt, 18.06.2020
5 https://bigtour.fr/, 29.06.2020
6 https://www.government.nl/latest/news/2020/06/24/from-1-july-staying-1.5-metres-apart-remains-the-norm, 29.06.2020
7 https://www.auma.de/de/medien/meldungen/presse-2020-21, 29.06.2020
8 Musikwirtschaft in Deutschland, Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Musikunternehmen, 2015

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